Neues aus dem Rathaus

zukunft der pfungstädter brauerei

Rede des Bürgermeisters in der Stadtverordnetenversammlung, am 12.12.2022


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin von meinen Kolleginnen und Kollegen des Magistrats gefragt worden, ob ich dieses Manuskript aus dem Netz nehme, da der Eindruck entstehen könnte, dass dieses die Meinung des Magistrats widerspiegeln würde. Diesen Eindruck möchte ich natürlich keinesfalls erwecken. Die Rede spiegelt meine persönliche Meinung und meine eigene Auffassung über die Abläufe bzgl. der Beschlussfassungen das Brauereigelände betreffend wider.

Mit den Magistratsmitgliedern besteht eine durchweg gute Arbeitsebene und daher sind mir dort geäußerte Wünsche sehr wichtig. Zum Zeitpunkt der Sitzung war eine Änderung des Textes in der Pfungstädter Woche, der auf diese Seite verweist, so aber nicht mehr ohne Weiteres möglich. Natürlich hätte ich dennoch das Manuskript, zu dem ich inhaltlich voll und ganz stehe, von dieser Seite nehmen können, doch ist es ohnehin im öffentlich einsehbaren Protokoll der Stadtverordnetenversammlung für jeden abrufbar. Zudem habe ich das alles so gesagt und ich stehe zu meiner Position.

§ 59 der Hessischen Gemeindeordnung bestimmt: „Der Bürgermeister kann eine von der Auffassung des Gemeindevorstandes abweichende Meinung vertreten“. Von diesem Recht habe ich am 12.12.2022 Gebrauch gemacht und bin mir bewusst, dass die Kolleginnen und Kollegen im Magistrat nicht mit meiner Auffassung übereinstimmen. Sie haben sich vorbehalten, dass sie ihre Meinung zu diesem Thema zusammenfassen, das begrüße ich, da es zur Unterscheidbarkeit der Auffassungen beiträgt.
Selbstverständlich werden wir diese, wenn sie mir vorliegt, ebenfalls an dieser Stelle veröffentlichen. Den Fraktionen bleibt es ohnehin unbenommen, im Rahmen ihrer Internetpräsenzen ihre Sicht der Dinge darzulegen, was diese bisweilen auch tun. Wir leben zum Glück in einer Demokratie – da muss man auch unterschiedliche Sichtweisen ertragen und danach wieder aufeinander zugehen. Darauf würde ich meine Kraft gerne in den nächsten Wochen und Monaten konzentrieren.

An der Situation der Brauerei wird das alles leider nichts mehr ändern, weshalb es umso wichtiger ist, nach vorne zu schauen. Mir war besonders wichtig, dass Sie als Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, die ureigene, persönliche Meinung des Bürgermeisters – sollten Sie sich für diese interessieren – zu erfahren.

Patrick Koch

Rede des Bürgermeisters

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren Stadtverordnete,

ich verstehe Ihren Unmut und ihre teils sehr harsche Kritik an meinem Vorschlag überhaupt nicht!

Ich mache doch nur von meinem Antragsrecht als Bürgermeister Gebrauch. Ich bin direkt von den Menschen gewählt, mir haben über 60 % der Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen ausgesprochen. Mehr als allen anderen hier im Raum. Keine einzige Ihrer Fraktionen und niemand von Ihnen persönlich hat jemals auch nur ansatzweise so viele Stimmen auf sich vereinen können.

Mir quasi das Recht abzusprechen einen Antrag zu stellen, mangelndes Demokratieverständnis, Falschinformation oder gar eine grobe Einflussnahme auf die Stadtverordnetenversammlung vorzuwerfen, wie kürzlich in der Pfungstädter Woche zu lesen war, und den Vorschlag einer Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger derartig harsch abzutun, ist ein denkwürdiger Vorgang.  

Auch die Art und Weise wie dies geschieht ist schlicht eine Respektlosigkeit vor dem Amt des Bürgermeisters.

Und doch habe ich Verständnis dafür, dass Sie dieser Antrag so ärgert, weil er Sie zwingt, sich mit Ihrem eigenen Handeln endlich einmal auseinanderzusetzen. Bisher haben Sie alle sich hinter den formellen Mängeln des Bürgerbegehrens geradezu versteckt, wenn nicht sogar heimlich darüber gefreut.

Sie haben sich einzig und alleine mit der formaljuristischen Lage auseinandergesetzt und auf die Frist hingewiesen. Fast 5 000 Menschen haben aber deutlich gemacht, dass sie über die Frage, ob man Wohnbebauung auf dem Brauereigelände zulassen soll und damit der Brauerei faktisch den Stecker zieht, gerne mitreden wollen. Diesen Menschen haben Sie bisher gesagt: Geht doch gar nicht, weil Frist verstrichen, sorry!

Doch die Wahrheit ist eine ganz andere. Und das macht mein Antrag, über den wir hier diskutieren, so deutlich und das ärgert Sie so sehr. Sie wollen nämlich gar nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage gehört werden.

Sie suchen Gründe, weshalb man meinem Antrag nicht zustimmen kann.

Und genauso wie es mein demokratisches und von der Verfassung und der HGO gegebenes Recht ist, diesen Antrag hier zu stellen und meine Meinung zu sagen, so ist es doch auch ihr Recht, diesen Antrag einfach abzulehnen.  

Ich habe auch kein Problem damit, heute Abend eine Abstimmungsniederlage zu kassieren. Es wäre ein schlichtes Wunder gewesen, wenn diese Stadtverordnetenversammlung, die keine einzige auch noch so kleine Gelegenheit auslässt, dem Bürgermeister und der von ihm geleiteten Stadtverwaltung Steine in den Weg zu legen und das Leben schwer zu machen, meinem Antrag heute zugestimmt hätte.

Umso wichtiger war es mir, den Antrag zu stellen, damit wir hier nicht nur über die Formalitäten, sondern auch über die Sache reden. Der Antrag reißt Ihnen allen die Maske vom Gesicht und macht deutlich: Nicht die Frist die verstrichen ist, ist das Problem, sondern das Anliegen der Bürgerinitiative selbst.

Sie halten es schlicht nicht für nötig, in einer extrem umstrittenen Frage die Menschen zu hören. Auch das ist Ihr gutes Recht, Sie haben die Legitimation durch die Kommunalwahl und ich habe keinerlei Probleme dies zu akzeptieren.

Die Art und Weise aber mit der hier argumentiert wird, befremdet mich schon. Und nicht nur Ihre Haltung zu meinem Antrag finde ich schräg, sondern auch Ihre Position zur Sache selbst, über die wir hier heute gar nicht reden würden, hätte ich diesen Antrag nicht gestellt. Sie hätten klammheimlich das Bürgerbegehren abgelehnt und wären zur Tagesordnung übergegangen.

Dies mit dem Antrag verhindert zu haben und Sie zu zwingen, Ihre Positionen zu verdeutlichen, war mir wichtig und das missfällt Ihnen, weshalb Sie mit Vorwürfen und Schutzbehauptungen mir und der Brauerei entgegentreten. In der Sache selbst – dem Wohnbaurecht auf dem Brauereigelände – verhält es sich auch nicht anders.

Sie behaupten einfach:

„Wir können bei der Brauerei nix machen.“ – „Uns sind die Hände gebunden!“ – „Das ist reine Privatsache.“ –            „Das geht uns nix an!“ – „Wir halten uns da raus.“ – „Da mischen wir uns nicht ein.“

So lauten die mantrahaft wiederholten Äußerungen der Mehrheit hier im Saal. Doch Falsches wird durch mehrfaches Wiederholen, und auch dadurch, dass es von vielen erzählt wird, nicht richtiger.

Natürlich stimmt es, dass wir als Stadt den Milliardär Hopp und diejenigen, die er beauftragt hat sein unvorstellbares Vermögen zu verwalten, nicht dazu zwingen können, einen Mietvertrag mit der Brauerei zu verlängern. Das ist absolut richtig. Das wurde auch nie von irgendjemandem bestritten.

Aber bitte erzählen Sie doch nicht das Märchen, dass Sie keinen Einfluss hätten, dass es irrelevant sei was Sie beschließen oder welche politische Meinung Sie vertreten! Erzählen Sie nicht, dass Sie nichts für den Erhalt der Brauerei tun könnten und die Macht des Faktischen Sie quasi zwinge, der Wohnbebauung zuzustimmen.

Das ist doch falsch, das ist doch eine Schutzbehauptung, eine Beruhigungspille und sei es nur für Sie selbst. Machen Sie sich doch nicht kleiner als Sie in Wirklichkeit sind. Das soll die Bevölkerung vielleicht besänftigen oder irreführen, aber es stimmt doch so einfach nicht!

Sie, wie Sie hier sitzen, alle 37, allein Sie bestimmen darüber, ob der Eigentümer eines Grundstücks seinen Willen und damit Wohnbaurecht bekommt. Niemand sonst!

Sie behaupten, sich nicht in diese privatrechtliche Angelegenheit einmischen zu wollen? Doch wenn Sie ehrlich gegenüber sich selbst und der Bevölkerung sind, dann müssten Sie sehr wohl sagen, dass Sie sich doch schon längst eingemischt haben in diesen Konflikt zwischen dem Mieter Brauerei und dem Vermieter Investor.

Sie haben sich eindeutig auf die Seite von Herrn Hopp geschlagen, finden sein Baugebiet offenbar irgendwie besser und zukunftsweisender und haben dies auch im Sommer beim Beschluss über den Bebauungsplan noch kräftig unterstützt, als längst klar war: Wenn das so kommt, muss die Brauerei gehen!

Sie sind nicht der neutrale Sachwalter, der sich raushält. Sie haben sich genauso eingemischt und Position bezogen, wie ich dies getan habe. Und auch das ist ihr gutes Recht!

Es ist richtig, dass auch ich im Herbst 2020 unter den damals bekannten Gegebenheiten die Wohnbebauung unterstützte. Aber die Voraussetzungen haben sich doch seither gravierend geändert. Und damit letztlich auch meine Meinung. Ist das nicht zulässig?

Warum hat sich Ihre Meinung nicht geändert, frage ich mich? Warum haben Sie nie gesagt: „Ich unterstütze das Ansinnen der Brauerei, weitermachen zu dürfen?“ – Was haben Sie denn ehrlich und persönlich für den Erhalt der Brauerei getan? Manche wie die SPD oder die Bündnis Grünen haben es ja nicht mal für nötig erachtet, mit der Bürgerinitiative zu reden. Und Sie alle könnten auch anders, wenn Sie es nur wollten. Und das wissen Sie nur zu gut!

Denn bei ähnlich gelagerten Fällen, bei denen wir Gewerbeflächen in Wohnbauland umwandelten, kam stets und schnell die Frage auf, was mit dem Betrieb passiert, was mit den Arbeitsplätzen geschieht. Erst jüngst beim Seidel Gelände war das der Fall. Dort hat Sie das interessiert. Bei der Brauerei hat Sie die Frage nach den Arbeitsplätzen eher gestört. Man hat vielmehr die Mitarbeiterzahl der Brauerei kleingerechnet – wahrscheinlich, damit das schlechte Gewissen nicht so groß ist!

In vergleichbaren Fällen wie dem CAP-Markt, bei dem der Grundstücksbesitzer lange lieber das Wohnen statt dem baurechtlich genehmigten Einzelhandel haben wollte, um sein Grundstück aufzuwerten, haben wir stets mit dem Hinweis, dass uns der Markt so wichtig ist, eine Veränderung abgelehnt.

Nur deshalb haben wir überhaupt die letzten Jahre noch diese Einkaufsmöglichkeit im Süden gehabt. Auch in anderen Fällen wurde von Ihnen mit dem Hinweis, dass man das Bestehende erhalten will, eine Baurechtsveränderung abgelehnt.

Ob bei der

- Boxschule                  

- der Hahnmühle          

- Werner Wohnbau in der Mainstr.

- dem Vorhaben in der Ringstr./Leibnitzstr.        

- oder dem Medimax.

Das nur, um ein paar Beispiele aus jüngerer Vergangenheit anzuführen. Wir hätten heute keinen Media-Markt, wenn wir das Baurecht dort wie vom Besitzer verlangt verändert hätten. Gewiss, das hätte dem Immobilienbesitzer dann die Möglichkeit eröffnet mehr Miete zu verlangen und damit größere Gewinne zu machen.

Aber das zu ermöglichen ist nicht unser Job!

In all diesen Fällen – und es gibt noch viele mehr – hatte man kein Problem damit, dem Ansinnen des Grundstücksbesitzers entgegenzutreten. Da hat sich der politische Wille durchgesetzt – zu Recht durchgesetzt, weil es nämlich keinen Rechtsanspruch auf eine baurechtliche Veränderung gibt!

Bei der Brauerei sehen Sie das nun gänzlich anders. Da fühlen Sie sich machtlos und müssen das, was der Investor will, hinnehmen? Das wollen Sie doch nicht ernsthaft behaupten.

Richtig und ehrlich ist doch vielmehr: Der politische Wille, auf den 45.000 m² Brauereigelände Wohnbebauung für Gutbetuchte zuzulassen ist größer als der Wille, der Brauerei an dieser Stelle weiter eine Heimat zu bieten. Ganz einfach!

Und das ist O.K., das kann man so sehen. Aber sagen Sie das doch bitte auch so deutlich. Machen Sie sich und anderen doch nichts vor.

Wer etwas wirklich möchte, findet auch Wege und Möglichkeiten – wer etwas nicht will, der findet Gründe und Ausflüchte. Sie wollen schlicht die schicke Wohnbebauung ein Stück weit mehr, als die Zukunft der Brauerei. Oder zumindest, als die Brauerei unter dieser Führung und in dieser Dimension.

Ich weiß, das hören Sie nicht gerne, aber ich sage es mit Helmut Kohl: „Ich habe keine Angst mich unbeliebt zu machen, ich bin es schon!“ – zumindest bei Ihnen, das wird ja in jeder Sitzung hier mehr als deutlich. Aber eines gilt immer: Vor dem Können kommt das Wollen!

Stellen wir uns doch mal vor, wir hätten eine starke Mehrheit gegen die Pläne des Herrn Hopp. Ich bekäme den Auftrag von Ihnen, den Herren in ihrer Zentrale in Mannheim mitzuteilen: „Wohnen ist nicht gewollt, da gibt es keine Mehrheit, die Leute wollen eindeutig die Brauerei, das ist Tradition, damit wird Pfungstadt weit über die Grenzen in Verbindung gebracht, darauf können und wollen wir nicht verzichten. Da ist auch die Bevölkerung nicht dafür. Ihr Grundstück wird so niemals Wohnbauland!“

Dann wäre es doch erstmal an Herrn Hopp, den unliebsamen Mieter von seinem Grundstück zu klagen und zu schauen, wie er sein Eigentum im zulässigen Rahmen nutzt. Wie gesagt: Eine Situation, die es bei uns schon mehrfach an anderer Stelle gab und die dazu führte, dass sich Dinge nur im Sinne des politischen Willens verändert haben.

Und deshalb ist es auch so, dass es nach meiner Auffassung hier schlicht und einfach keinen politischen Willen gibt, die Brauerei ernsthaft zu erhalten, wenn man gleichzeitig auf das schicke Wohngebiet verzichten müsste.

Das ist auch in Ordnung, das kann man so denken, das ist erlaubt. Nur sagen Sie das doch auch so. Erzählen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern doch keine Märchen. Haben Sie doch einfach den „Bobbes in der Hose“, diese unschöne Wahrheit zu sagen.

Sagen Sie, dass Ihnen der Brauereibesitzer suspekt ist, dass Sie kein Vertrauen in diesen haben, dass Sie ihm – vollkommen ungerechtfertigt – sogar unterstellt haben, er wolle das Geschäft mit dem Baugebiet nur selbst machen. Berichten Sie davon, dass Sie nicht an eine Zukunft der Brauerei glauben.

Erwähnen Sie, dass Sie Bedenken haben, dass der Herr Hopp eine Industriebrache im Herzen der Stadt hinterlassen könnte.

Übrigens ein Szenario, welche von Ihnen nicht mit dem der Begriff „Erpressung“ in Zusammenhang gebracht wurde.

Im Gegenzug hat man aber kein Problem davon zu sprechen, die Brauerei würde die Stadtverordneten erpressen, wenn sie mit dem Hinweis auf die Situation kein Angebot für den Hessentag abgibt.

Das kann man alles so sehen, das ist doch alles nicht verboten, das ist ehrlich und offen.

Es ist auch nicht verboten zu sagen, dass die Stadtpolitik, die sich in den Sonntagsreden des Wahlkampfes für mehr Bürgerbeteiligung ausspricht, dann wenn es ernst wird – siehe Shark City oder Hessentag – kneift.

Da schließe ich mich übrigens gar nicht aus! Aber auch die Ablehnung dieser beiden Bürgerbefragungen wurde ja hier von Ihnen mit großer Mehrheit beschlossen – Sie sitzen da doch zum größten Teil selbst mit im Boot, und in diesen Fragen sogar noch am Steuer!

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Sie gehören doch auch zu der Kategorie Mensch, die gerne so redet wie sie es gerade braucht. Schließen Sie sich doch da nicht aus und tun Sie nicht so als seien Sie anders!

Ihre Angst davor, dass Bürgerinnen und Bürger etwas anderes wollen könnten als Sie selbst, ging  2019 sogar so weit, dass man die neutralen Fragen bei der Schwimmbadumfrage politisch verwässerte und den Sachverhalt aufgehübscht zur Abfrage stellte.

Gegen meinen Willen übrigens und mit dem Hinweis des Meinungsforschungsinstitutes Infratest Dimap, dass dies suggestiv ist. Das gehört doch zur Wahrheit alles dazu. Da waren Sie doch größtenteils mit dabei. Sagen wir das doch einfach.

Aber bitte verstecken Sie sich nicht hinter dem vorgeschobenen Argument, Sie könnten doch gar nichts tun, sie könnten der Brauerei nicht helfen. Das stimmt schlicht nicht.

Natürlich hat Ihre Meinung auch mit dem zugegeben etwas unorthodoxen Verhalten des Brauereibesitzers, dessen Auftreten und sagen wir es mal so „undiplomatischem Geschäftsgebaren“ zu tun.

Man merkt das, wenn Stadtverordnete sagen: „Das ist ein komischer Typ, der ist mir suspekt.“ – „Dem Lauer traue ich nicht!“ – „Der soll seine Brauerei woanders hinbauen, Geld hat er ja genug, fährt ja auch mit seinem Ferrari Autorennen!“ … allesamt Sätze, die ich von einigen von Ihnen so schon gehört habe.

Nie hat sich jemand gefragt, wie der Herr Hopp eigentlich so ist, mit welchen Autos der Herr Hopp fährt, welche Hobbies er hat, wie er sein um ein Vielfaches größere Vermögen ausgibt!

Ob er mit einer Yacht oder einem Privatjet reist, was er sich leistet und was nicht? Und das geht uns auch nichts an!

Der Herr Hopp ist aber auch weit weg und schlicht nicht greifbar. Das ist bei Herrn Lauer anders, der ist hier verwurzelt, der ist mit Leidenschaft dabei. Will man ihm das vorwerfen? Warum hört man von Stadtverordneten Sätze wie „Warum soll ich dem Lauer seine Brauerei retten?“.

Das ist aber nicht nur die Brauerei von Uwe Lauer, das ist die Pfungstädter Brauerei, unsere Brauerei.

Das sind 191 Jahre Geschichte – das ist Tradition – das ist Identifikation – das ist der Leuchtturm um den uns viele Beneiden – das ist ein wertvoller Teil Pfungstadts! – das sind Arbeitsplätze – das sind Menschen.

Und ich halte es für ein berechtigtes Anliegen, wenn man alles daransetzt, dieses Unternehmen, dieses regionale Alleinstellungsmerkmal, zu erhalten. Sie können mir vorwerfen, dass ich in dieser Frage nicht neutral bin. JA das bin ich nicht! Und das muss ich auch nicht sein.

Und auch Sie sind nicht neutral und müssen das nicht sein. Sie dürfen ihre Meinung haben, genauso wie ich meine Meinung habe. Sie haben auch das Recht, meinen Antrag abzulehnen.

Aber Sie werden sich damit auf alle Zeit dem Vorwurf aussetzen müssen, dass Sie die Brauerei in dem Moment im Stich gelassen haben, als diese Sie, die Pfungstädter Stadtpolitik dringend brauchte, und dass Sie aktiv daran mitwirkten, dass die Stadt ihrer Identität ein Stück weit beraubt wird.

Ich brauche mich dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung nicht auszusetzen, ich leiste keine Beihilfe zum Identitätsdiebstahl.

Ich kann morgens in den Spiegel schauen und zu mir sagen: Ich habe alles, aber wirklich auch alles dafür getan, dass Pfungstadt dieses Alleinstellungsmerkmal behält, dass sich die Menschen in dieser Stadt damit ein Stück weit identifizieren können.

Da ist mein Gewissen völlig rein.

Sie werden heute so entscheiden, wie Sie das für richtig erachten. Ich kann Ihnen zurufen, dass ich die Ablehnung der Bürgerbefragung für einen schweren, nicht mehr gut zu machenden Fehler halte.

Damit berauben Sie die Brauerei der letzten Hoffnung, die diese hat. Sie nehmen ihr die letzte Möglichkeit deutlich zu machen – auch gegenüber Ihnen hier deutlich zu machen – dass die Mehrheit der Bevölkerung vielleicht doch lieber braut statt baut.

Und auch wenn Sie das anders sehen, ich bleibe dabei: Damit tragen Sie auch ein Stück weit Mitverantwortung dafür, dass ich nach 191 Jahren der 17. und letzte Bürgermeister dieser Stadt sein werde, der „Pfungstädter Bier“ getrunken hat.

Brauerei und Marke, das Hufeisen mit dem Stern, beides wird es nach Ihrer Ablehnung heute nur noch sehr begrenzte Zeit geben, das muss allen hier klar sein, da darf man sich keine Illusion machen.

Und auch wenn mir das in der Seele weh tut, ich das Verschwinden der Brauerei, der Marke, der Arbeitsplätze traurig und sehr bedauerlich finde: Das ist kein Weltuntergang, da geht es nicht um Leben und Tod, das gab es woanders auch schon und da gilt auch Steppis Satz „Lebbe geht weider“.

Aber Emotionen müssen da doch erlaubt sein, ich kann dazu nicht schweigen. Deswegen bettele ich aber hier auch ganz gewiss nicht um Ihre Zustimmung. Ich stehe hier hoch erhobenen Hauptes und mache Sie auf Ihre persönliche politische Mitverantwortung aufmerksam. Dieser Meinung bin ich, das ist meine Auffassung und das gefällt Ihnen natürlich nicht.

Sie begehen in meinen Augen aber mit der Ablehnung der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in dieser zentralen Frage unserer Stadt einen unverzeihlichen Fehler. Sie darauf hinzuweisen, meine unerschütterliche Meinung in dieser Frage zu verdeutlichen, erachte ich nicht nur als mein Recht, sondern auch als meine Pflicht.

Sie haben diese Meinung nun zur Kenntnis genommen und können so wie es gewollt ist und nach Ihrem Gewissen entscheiden.

Wir leben in einer Demokratie, das ist gut so, da sollten wir froh und stolz sein, das zu dürfen. Dazu gehört auch, dass man sich die Meinung sagen darf, auch wenn das weh tut und nicht jedem gefällt.

Aber dazu gehört auch, dass Sie selbst die Verantwortung für Ihre Entscheidungen tragen. Ich weiß, dass fällt immer dann besonders schwer, wenn es unbequem wird, gerade wenn man keine festen Mehrheitsverhältnisse hat, das erleben wir ja immer wieder.

Und deshalb haben Sie auch eine politische Verantwortung dafür, was mit der Brauerei geschieht – da können Sie sich nicht wegducken.

Sie werden heute eine Abstimmung gewinnen, können sich dann als Sieger fühlen. Ich fühle mich dabei nicht als Verlierer. Verlierer sind die Stadt und die Brauerei.

Vielen Dank.


Bürgermeister Patrick Koch, in der Stadtverordnetenversammlung am 12.12.2022